Canis Lupus chanco - der Tibet-Wolf

WikiCommons c) lubman04
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Weit in den winterkalten Steppen Südwestrusslands, Tibets, der Mongolei, über Chinas Norden bis hin zum einzigartigen Ladakh inmitten des Himalayas ziehst Du Deine Kreise, Bruder Tibet-Wolf, in deinem gelblichen Fell, auf dem Rücken von borsteanartigen, steifen grau-schwarzen Haaren durchsetzt, in dem leuchtenden Weiß von Kehle, Brust, Bauch und der Innenseite der Schenkel; dein hellgrau-bräunlicher Kopf zeigt an der Stirn kurz gestrichelte, grau-schwarze Haare. Mit Sicherheit gehörst Du zu einer Unterart der Grauwölfe, ähnlich der eurasischen Art, wie dein Schädel beweist, doch dein Körper wird von kürzeren Beinen getragen.

Ist es so, wie einige Zweibeiner, die sich Wissenschaftler nennen, annehmen, dass du der Vorfahr der Begleiter dieser Menschen bist, dass sich ihnen aus euren Reihen eine Gruppe angeschlossen hatte? Die Beschaffenheit deines Unterkiefers würde eher auf die Wahrscheinlichkeit einer Verwandtschaft mit den Hunden als mit den Grauwölfen hindeuten, so sagen sie.

Wie schön siehst du im Winter aus; denn die Farbe deines Fells, mit der grauen Unterwolle, passt sich den Jahreszeiten an: Schwarz-weiß gefärbt und dem Büffelfell ähnlich strukturiert, zeigen sich Rücken und Schwanz mit einer Haarlänge von 70 bis 80 mm. Das Schwarz und Weiß verläuft sich sattelähnlich über die Schultern mit sehr langen Haaren von 100 bis 120 mm, verliert sich in den vielfarbigen Flanken mit einer Haarlänge von 40 bis 60 mm. Dein Bauch und die Außenseite der Beine sind weißlich, können aber auch die Farbe von Büffelleder aufweisen, gelegentlich mit einem schwarzen Streifen – unterschiedlicher Ausprägung – an den Vorderbeinen. Grau oder ockerfarben sind die Ohren gefärbt, Stirn und Schnauze eng mit schwarzen Sprenkeln besetzt, die unter den Augen gegen Wangen und Ohren verlaufen und in einen weißen Fleck münden. Mit einem Durchschnittsgewicht von 45 kg zählst du eher zu den kleinen Unterarten der Grauwölfe, bist jedoch größer als die indischen Verwandten und lokal bekannt unter der Bezeichnung „Chankodi von Kumaon“. Deine schwarze Variante gilt als mutiger und agressiver, in Tibet mit dem Namen „Chanco nagpo“ bezeichnet, obwohl ich - Amarok - ein agressives Verhalten nicht mit Mut gleich setze, sondern mit der Unkenntnis und Furcht vor dem Unbekannten. Aber nicht nur darin irrten sie sich, jene, die euch im Laufe der Geschichte mit vielen sog. wissenschaftlichen Namen bedachten, weil sie euch immer wieder zwischen den Menschenjahren von 1847 bis 1923 in anderen Gegenden Asiens sichteten , in den Weiten Tibets, der chinesischen Tartarei, in Kaschmir und der Wüste Gobi und sogar in der Nähe Seouls in Korea, in den chinesischen Provinzen Shensi, Sechzuan und Yunnan.

 

Hüte dich Bruder Tibet-Wolf, sie berichteten und erzählen immer noch Schauergeschichten von Dir, verbreiten Greuelmärchen, dass Du mehr Menschen getötet hättest als alle Raubtiere wie Tiger, Bären, Leoparden und Wildschweine zusammen genommen! Andere wiederum sagen, Du hättest Kinder getötet. Dabei gehört der Mensch nicht in dein Beuteschema! All diese Lügen dienen nur einem Ziel: Einen Grund zu haben, um dich zu ermorden, deinen Pelz zu nehmen und mit deinem Tod Geld zu verdienen. Wenig tun sie, um ihre Herden vor dir zu schützen, weil sie ignorant und arrogant sind, eben Menschen voller Unwissen und Irrglauben.

 

Hüte dich, Bruder Tibet-Wolf, bleib ihnen fern – und nimm keine bequeme Nahrung aus menschlicher Hand; denn sie schrecken auch nicht vor Gift zurück und bereiten dir einen qualvollen Tod.

 

Lebe glücklich auf den Bergwiesen oberhalb der Baumgrenzen im westlichen Himalaya, den Bergen des Pamir und in den menschenfernen Gegenden der Gobi...