Faszination Elster (Pica pica)

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Wie blauer Bleiglanz liegt es auf den Schwingen des schwarz-weißen Vogels mit den langen schwarzen Schwanzfedern, der besser ist als sein Ruf, und  der über die Intelligenz eines Orang Utans verfügt.  Sie erkennt sich wie dieser selbst im Spiegel  und weiß, dass ihr eigenes Spiegelbild ist, das sie erblickt, was sie durch verschiedene Tests, z.B. den Blick hinter den Spiegel, festgestellt hat. Die Elster ist es, die man auch die „diebische“ nennt,  die ihr geheimes Futterversteck genau kennt  und es mühelos wiederfindet.  Oh, ja! Sie liebt alles Glänzende, besonders rundliche Objekte, die sie gerne wegträgt – insofern es ihr möglich ist - und gleich einer „Schatzkiste“ im Gras, unter Erde, Laub oder sogar unter losen Dachziegeln verbirgt, um sie irgendwann auf ihre Verwertbarkeit hin zu untersuchen -  darin ist sie vielen Menschen nicht unähnlich und teilt dieses Interesse mit etlichen anderen Vogelarten (z.B. Paradiesvögeln).  Als  Götterbotin in der germanischen Mythologie fungierte sie, aber auch als Botin der Todesgöttin Hel, was ihr in Europa den Ruf einer Unglücksbotin brachte.  Als Galgen- und Hexenvogel wurde sie bezeichnet, während sie in weiten Teilen Asiens als Glücksvogel gern gesehen ist  und bei den amerikanischen Natives als Geistwesen/Krafttier betrachtet  wird, das eine gut geartete Freundschaft zu den Menschen hegt; die Tatsache, dass dieser Rabenvogel sich überall auf der Welt nicht nur gerne in menschlichen Siedlungsgebieten aufhält und sogar vorzugsweise in hohen Bäumen von Parks und Gärten Wohnung  nimmt – aber auch in offenen Landschaften mit  Wiesen, Hecken, Büschen und Baumgruppen - eifrig Nester bauend, hat mit Sicherheit zu der freundlichen Beurteilung dieses Mitgeschöpfes beigetragen. Lange galt sowohl in Deutschland als auch in Frankreich der Glaube, dass durch das Töten von Elstern Unglück ins Haus stünde, weil man ihnen nachsagte, dass sie ihre menschlichen Nachbarn vor der Anwesenheit von Füchsen, Wölfen und bewaffneten Menschen warnen würden. Ihr warnendes „Schäckern“, wenn ein von ihr erwählter Garten bzw. die Nähe ihres Nistplatzes durch Menschen oder vierbeinige Tierarten betreten wird, scheint eng mit diesen Vorstellungen verbunden zu sein. 

c) Wikipedia
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Nicht immer bebrütet die Elster (etymologisch aus dem althochdeutschen Wort Agalstar abgeleitet und in der Sprachentwicklung z.T. lautmalerisch abgewandelt) die einmal gebauten Nester, vor allen Dingen dann, wenn sich plötzlich für ihren „Geschmack“ zu viele Fressfeinde in der Umgebung des gewählten Nistplatzes aufzuhalten scheinen.  Erst im Herbst ihres Lebens geschlechtsreif, schließen sich die Elstern einer  Gemeinschaft aus Nichtbrütern an, im darauf folgenden Jahr brütet die Hälfte dieser Gemeinschaft an männlichen und weiblichen Tieren. Hat sich eine Brutgemeinschaft nicht bewährt – d.h. es kommt nicht zu einem Bruterfolg – wird sich im Herbst nach einem passenderen Partner umgesehen (Umpaarung) mit Standorttreue und lebenslanger Monogamie: Nur beim Tod eines Partners erfolgt eine rasche neue Verbindung mit einem/r Einjährigen. Vor dem Nestbau oder auch während dieser etwa 40 Tage währenden „schweren“ Arbeit des Herantragens und Verflechtens von geeignetem Nistmaterials in ein recht großes Geflecht von etwa 35 auf 75 cm Außenmaßen, kommt es zu den bei allen Vögeln üblichen Balzritualen mit aufgeplustertem Gefieder und Flügel- oder Schwanz“zittern“.  Natürlich erhält die Angebetete ein „glänzendes“ Geschenk, das manches Mal auch aus einem Stückchen Alufolie bestehen kann.   Die  innere, mit Erde, Moose und Wurzelwerk auskleidete Nistmulde erhält gegen Nesträuber, wie die Aaskrähe oder Greifvögel,  einen haubenartigen Überbau – meist mit 2 Ausgängen;  die emsige Arbeit von beiden Partnern  (die eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang beginnt und eine Stunde vor  Sonnenuntergang am Abend endet – man hat allerdings auch schon Aktivitäten bis zum Einbruch der Dunkelheit beobachtet).     Der Legebeginn der durchschnittlich aus vier bis sieben, spitz-ovalen, lehmfarbenen, blass-grünlichen bis oliv gefleckte Eiern (ca. 33/34 mm lang, ca. 23/24 mm breit, Frischgewicht eines Eies 8-12 g) bestehenden Gelege (bei gutem Nahrungsangebot auch bis 12 Eier) schwankt selbst in Europa beträchtlich, in Mitteleuropa wird der Beginn auf März bis Mai angesetzt, bei einem Erstgelege ab 8. April. Es hat die Natur wunderbar eingerichtet, dass das Paar bei einer evtl. Vernichtung des Geleges ein Ersatzgelege erstellen kann, wird auch dieses vernichtet, kommt es zu einem weiteren Nachgelege, bis zu vier Brutversuchen sind möglich. Das Weibchen wählt seine spezielle Art der Bebrütung, so kann es sein, dass es schon nach der ersten Eiablage zu brüten beginnt und dann nach und nach weitere Eier dazulegt, oder dass es erst nach Abschluss der Eiablage das vollständige Gelege bebrütet.  Ausschließlich die Elstermutter bebrütet das Nest, während der männlich Vogel die Versorgung des Weibchens übernimmt und das Revier verteidigt, Krähen werden grundsätzlich attackiert, Tauben, Amseln und alle Arten kleinerer Vögel geduldet.  

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Nach etwa 17-22 Tagen nach Legebeginn nackt und blind geboren, bedürfen die kleinen Elstern der ganz besonderen Obhut der Mutter, die sie bis zum 11./12. Tag nach dem Schlüpfen „hudert“.  In dieser Zeit füttert der Elsternvater mit aus dem Kropf gewürgter Nahrung, später beide Eltern und die kleinen Nestlinge erreichen innerhalb von 20 Tagen linear ein Gewicht von etwa 120 g.  Und dann ist es so weit, nach etwa 24 bis 30 Tagen verlassen die Jungen zum ersten Mal das Nest. Sie klettern fröhlich ein und aus, turnen unbeholfen auf den Ästen herum , werden allerdings immer noch von den Altvögeln unter dem schützenden Dach des Nestes gefüttert und im Revier weiterhin betreut. Noch nicht flugfähige Jungvögel bleiben „in Deckung“ , aber sie besitzen die Fähigkeit, selbst an glatten Baumstämmen vom Boden aus flügelschlagend emporzuklettern.  Was füttern die Eltern? In erster Linie Insekten wegen ihres hohen Eiweißgehaltes, später ändert sich im Laufe der Aufzuchtsphase das Nahrungsangebot mit kleinerem, leicht verdaulichem Material wie Spinnen, Fliegen und Raupen und im letzten Drittel der Nestlingszeit  Nahrung zu gleichen Anteilen aus kleinen und großen Bestandteilen von Würmern, Hautflüglern, Käfern, Wirbeltierstücken.  Das heißt, der Verzehr von Nestlingen anderer kleinerer Vögel macht etwa nur 5 – 8 % der gesamten Nahrung aus, von einer Schädigung des Singvogelbestandes durch Elstern kann also nie die Rede sein, diese Behauptung gehört in den Bereich der Großmuttermär,  unwissenschaftlich in die Welt gesetzt von Herrschaften im grünen Rock mit Strickstrumpfmentalität…

c) E. Gelzleichter
c) E. Gelzleichter

Mit 45 Tagen beginnen die Jungvögel nach Art der Alten selbst auf dem Boden nach Nahrung zu suchen, die hälftig aus tierischen Bestandteilen besteht (in Brutzeiten bis zu 95 %), z.B.  ganzjährig aus Aas, Früchten, Beeren und Pilzen, des Weiteren je nach Jahreszeit aus Insekten und deren Larven, Würmern, Spinnen, Schnecken, Feldmäuse, Amphibien, Echsen, Nestlinge und Eier und gelegentlich auch Fischen, die sie mit unterschiedlichen Techniken gewinnt, nicht nur durch Scharren im Boden, Stochern in Grasbüscheln oder das Hochspringen an hohen Grasähren und Kräutern, sondern auch durch das Herumdrehen von Laub und sogar Steinen bis 10 cm Größe. Insekten verschluckt sie ganz, Wespen werden erst zerquetscht… Im urbanen Bereich durchsuchen sie Abfall-  und Komposthaufen, verzehren Fleisch- und Brotreste, Teigwaren, Eierschalen, Käse und Ähnliches. Meistens suchen sie auch Schnellstraßen, Autobahnen und Bahnstrecken nach tierischen Unfallopfern ab und säubern die Straßen bevor überhaupt ein „Ordnungsamt“ daran denkt, die Tierkadaver zu beseitigen  (bsw. Igel, Eichhörnchen etc.), sie verzehren auch Hundekot, Pflanzenzwiebeln und Hundefutter aus der menschlichen Umgebung.  Das ganze Jahr über legen sie Nahrungsdepots, sicher verwahrt vor plündernden Krähen, an verschiedenen Orten, wenn die Nahrung im Winter knapper wird, können diese Nahrungsspeicher  (vor allem im Gebirge) überlebenswichtig sein. 

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Alles in allem  gesehen, sind Elstern eher als Nützlinge anzusehen, wenn auch der eine oder andere kleine Nestling ihnen zum Opfer fällt, die Natur weiß hier einen Ausgleich zu schaffen, indem viele Singvogelarten zu mehrfachen Bruten im Jahr tendieren.  Von Elstern, die eigentlich 16 Jahre alt werden können, aber meistens nur das zweite Lebensjahr erreichen, überleben nur etwa 17 bis 22 % der Bruten, zu viele Feinde trachten ihnen nach dem Leben: Aaskrähen, Greifvögel, Katzen, Eulen… am schlimmsten ist der Vernichter des Planeten, der Zerstörer der Umwelt in Feld, Wald und Flur, der Verseucher der Meere – der Mensch in seinem Wahn.

Epilog

c) E. Gelzleichter
c) E. Gelzleichter

In der Nachbarschaft standen bis zum vorigen Jahr zwei große Tannen, in denen ein Elsternpaar seinen Wohnsitz hatte. Alljährlich flochten sie kunstreich an ihrem Nest, bis die Tannen der Säge zum Opfer fielen. Das Eichhörnchen, das ebenfalls darin wohnte, hatte in der ferneren Nachbarschaft ein neues Domizil gefunden, aber die Elstern flogen das letzte Halbjahr suchend umher, stocherten mal hier mal da und fanden  keinen endgültigen Ruheplatz, aber sich mit allen Kleinvögeln in Eintracht und Frieden, die sich vor ihnen nicht fürchteten und mit ihnen gemeinsam am winterlichen Futterplatz pickten oder an den Insektenknödeln naschten. Gemeinsam saßen und sitzen sie am Wassernapf und nun haben die klugen Elstern (die sogar eine Menge von sieben Gegenständen erfassen können)  beschlossen, in unserer großen Thuja ihr Nest zu flechten. Staunend  sehe ich, dass meine ortsansässigen Amseln, die sich gegen andere Elstern schon sehr militant zeigten und sie mit Schnabelhieben vertrieben, offenbar eine Art „gentlemen‘s agreement“ getroffen haben:  Alle kleinen Singvögel, die hier aus und ein fliegen, bleiben unbehelligt und die Elstern bauen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang unbehelligt an ihrem neuen Nest – der Bleiglanz ihres Gefieders leuchtet metallen im Sonnenlicht – 

c) E. Gelzleichter
c) E. Gelzleichter

Faszination Elster – über sie lassen wir uns "keinen Bären" aufbinden...