Es könnte sein, dass du ihm begegnest, Wanderer, wenn du in den Steppen- und Waldzonen der Tundra im äußersten Norden Skandinaviens weilst oder der des europäischen und asiatischen Teils Russlands und Kamtschatkas, der Landschaft zwischen Moosen und Flechten, Krüppelkiefern, Tannen und Birken bis zur Randzone der Taiga, jenem hell-blei- bis rötlichgrauen Wolfsbruder mit dem wunderschönen langhaarigen, flauschigen, dichten, weichen Fell, das in vielen Fällen der Grund für seine Tötung ist und war. Mythen beschreiben ihn mit einer sagenhaften Größe, den Tundrawolf (Canis lupus albus bzw. Canis lupus tundrorum), doch diese Annahme beruht auf einer Verwechslung mit den großen Mackenzie-Valley-Wölfen, einer der größten nordamerikanischen Wolfsart, deren Fellfarbe gelegentlich jener der Tundrawölfe ähnelt; denn das höchste Gewicht das je bei einem Tundrawolf – einer Unterart des Grauwolfes – festgestellt wurde, betrug 52 kg. Im Allgemeinen aber, Wanderer, kann von einem durchschnittlichen Gewicht zwischen 40 bis 49 kg des männlichen Tundrawolfes ausgegangen werden und von 36,6 bis 41 kg bei den weiblichen Wölfen. Siehst du ihn, Wanderer, dieses wunderbare Geschöpf, dann erkennst du das männliche Tier an seiner Körpergröße von 118 – 137 cm, einer Schwanzlänge von 42 – 52 cm, während die Körpergröße des weiblichen Tieres zwischen 112 – 136 cm variiert und die Schwanzlänge von 41 bis 49 cm.
Wie alle Wölfe leben auch die hellgrauen Prädatoren der Tundra monogam, dem einmal erwählten Partner treu auf Lebenszeit (Paarungszeit der Leitwölfe etwa März), bauen sie sich ihre Wurfhöhlen im Dickicht der Hochplateaus oder der Flußtäler, in denen sie – nach einer Tragzeit von 61 – 63 Tagen – 5 bis 6 Junge zur Welt bringen. Auch die kleinen Tundrawölfe wagen sich – von der Familie, dem Pack (im Durchschnitt aus 10 Tieren bestehend), behütet – im Alter von 3 Monaten hinaus in die Welt, ernähren sich von dem, was die Tundra in ihren verschiedenen Erscheinungsformen an jagdbarem (oder auch domestiziertem) Wild bietet, wie z.B Schneehasen, -schafe und -hühner, Polarfüchse und Rentiere. In seltenen Fällen ziehen die erwachsenen Wölfe auch mit den Rentierherden, die eine ständige Futterquelle bieten, und riskieren dadurch den Tod, durch die in den Tundren von den Zweibeinern erlaubte Jagd und erreichen kaum ihr Durchschnittsalter in der freien Wildbahn von etwa sieben Jahren.
Zwei bis drei Jahre, bis zur Geschlechtsreife, ziehen die Jungen mit dem Pack, um sich dann von der Familie zu lösen, hinauszuziehen zur Partnersuche, um selbst ein Pack zu gründen, im ständigen Spiel des Lebens von Geburt und Tod