Wenn jemand ein Problem erkannt hat und nichts zur Lösung des Problems beiträgt, ist er selbst ein Teil des Problems. (Weisheit der Am. Indian Natives)
1. Teil: Vergangenes
Indianische Geschichte – umfassender, vielschichtiger und weiter in die Tiefe reichender als es der Durchschnittseuropäer wahrzunehmen vermag und wissen will. Wissenschaftler glauben beweisen zu können, dass der Homo erectus vor ca. 1,7 Millionen Jahren Europa und Asien von Afrika her besiedelte. Ob die neueste wissenschaftliche Hypothese der Besiedlung Amerikas durch die „First Americans“ aus Asien in „drei Wellen“ vor 22000 Jahren geschichtlicher Realität entspricht, wird die Zeit mit ihren Entdeckungen und neuen Erkenntnissen zeigen.
Indianer – ein abgedroschenes Wort, das bestenfalls an Karl May und Winnetou erinnert, sich in Plattitüden und Unkenntnis ergeht. Oder beschreibt das Wort „Indianer“ eine Vielzahl von Völkern mit unterschiedlichen Kulturen, Riten und Sprachen, steigen vor dem geistigen Auge Bilder von Nationen auf wie bei dem Wort „Europäer“, das wie selbstverständlich Nationen von Franzosen, Deutschen, Italienern, Spaniern, Portugiesen, Griechen, Belgiern, Niederländern, Dänen u.v.m. impliziert!? Wie kann man sich die sog. „five hundred nations“ vorstellen? Was weiß man über die Völker der Cheyenne, der Creek, der Hopi, der Navajo, der Sioux, der Kiowa, der Mohawk und all der anderen Völker der über 500 Nationen der Urvölker Nordamerikas? Wenige interessiert im alten Europa die Frage, wie sich die Entwicklung dieser Vielzahl beachtenswerter Kulturen vollzog, wie sie zu dem Wissen gelangten, mit allem und jedem auf dem Planeten energetisch verbunden zu sein, jenem Wissen, das sich erst im 20. Jahrhundert nur zögerlich in der „Alten Welt“ Bahn brach.
Mit dem Jahr 1492 veränderte sich das Leben der 75 Millionen Menschen, die sich in 2000 verschiedenen Sprachen verständigten, auf dem amerikanischen Doppelkontinent. „Vertreibung“, „Tod“ und „Verderben“ hießen die apokalyptischen Reiter, die im Gefolge der europäischen Eroberer das Land heimsuchten. Tod brachten die Pocken zu den Ureinwohnern, es fehlte ihnen – im Gegensatz zu den durchseuchten Europäern, an der nötigen Immunabwehr gegen diese bislang unbekannte europäische Erkrankung, die verheerend im 17. Jahrhundert vom Nordosten her über den Rest der „Neuen Welt“ zog (z.B. starben zwischen 1617 und 1619 90 % der Massachusetts Bay Natives) Innerhalb weniger Jahrzehnte wurden 80 % der indianischen Ureinwohner Nordamerikas durch Krankheiten getötet, die aus Europa eingeschleppt worden waren; eine Bevölkerungsdezimierung mit tragischen Folgen durch die nachhaltig geschwächten wirtschaftlichen und sozialen Strukturen der Ureinwohner, die dem weiteren Vordringen der Kolonisten und Siedler den Weg ebneten. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts konnten erste Pockenimpfungen – auch an den Ureinwohnern – dem Todesritt der Pocken ein Ende setzen. Doch hinterließ die Seuche ein Heer von Toten in der Urbevölkerung. Als die ersten Siedler Mitte des 19. Jahrhunderts den Nordwesten erreichten, lebten am Puget Sound, im Bereich des heutigen Seattle, nur noch 9000 Ureinwohner!
Das Jahr 1832 - ein entscheidendes Jahr im Leben der amerikanischen Urbevölkerung: Die nordamerikanische Regierung entschloss sich zu einem umfassenden Impfprogramm der Indian Natives, das viele Leben rettete, und andererseits fällte in diesem Jahr Charles Darwin sein vernichtendes Urteil über die amerikanischen Ureinwohner, nach einer Begegnung mit drei gefangenen Feuerländern, die er in ihrer Lernfähigkeit kurz gesagt „unter den Tieren stehend“ betrachtete. Eine fatale unbegründete Feststellung, die man als mitursächlich für die späteren Genozids an den American Natives ansehen muss.
Tragischer noch die indianische Rolle im Unabhängigkeitskrieg, sie kämpften auf der Seite der Briten in der Hoffnung mit dem Sieg der britischen Krone, das weitere Vordringen der europäischen Einwanderer aufhalten zu können. Grausamkeiten des Krieges unter Mitbeteiligung der Natives sowohl als Opfer als auch als Täter wirkten sich später zusätzlich belastend in den Beziehungen zwischen den alten und neuen Bewohnern des Kontinents aus: Racheakte folgten wie die sog. Sullivan Expedition 1779, in der mehrere 1000 Soldaten durch Upstate New York zogen und 40 Irokesen-Dörfer als Vergeltung für die früheren Attacken der Irokesen bei der Unterstützung der Briten im Krieg. Weitere Kalamitäten ergaben sich aus dem Pariser Friedensvertrag von 1783 zwischen Briten und Amerikanern. Der dadurch nun unabhängigen jungen Nation wurde durch die ehemalige Kolonialmacht große Gebiete Ländereien übereignet, die eigentlich als Besitz der Ureinwohner angesehen werden mussten, über dieses unglaubliche Geschehen wurden die eigentlichen Besitzer von der britischen Krone nie informiert. Viel Land wurde durch die immer weiter nachdrängenden Einwanderer benötigt und die amerikanische Regierung plante, die von den Briten übereigneten Gebiete für die Siedler zu nutzen und sie durch Verträge von den Natives zu erwerben. Heere Pläne, die bald verworfen wurden, die Regierung der Vereinigten Staaten sah sich in der Pflicht, dem immer stärkeren Andrang von Siedlern, Land in wachsendem Umfang bereitzustellen. Die weiten Flächen westlich des Missisippi waren noch wenig erschlossen, doch die wachsende Nation drängte auch immer weiter nach Westen vor, verknüpft mit einer ständigen unfreiwilligen Umsiedlung der indianischen Urbevölkerung. Ein besonderes Gesetz von 1830, der „Indian Removal Act“ erlaubte es dem Präsidenten – damals Andrew Jackson – den Ureinwohnern als Ausgleich für ihre Ländereien östlich des Missisippi Land jenseits des Flusses „anzubieten“. Oft wurden Verträge zur Umsiedlung mit inoffiziellen Vertretern eines Stammes geschlossen, die nicht dazu berechtigt waren, wie es im Falle den Cherokee geschah, deren Zwangsumsiedlung als Folge eines Vertrages geschah, der die unberechtigte Unterschrift einer kleinen abgesplitterten Gruppe des Stammes trug. Obwohl der „Indian Removal Act“ die Mitbestimmung der umzusiedelnden Volksgruppen vorsah, zeigte die Realität ein äußerst grausames Gesicht: Eine schnelle und komplette Umsetzung der Umsiedlungspläne – ob freiwillig oder nicht – wurde unter großen Druck ohne Rücksicht auf die Familien durchgeführt, die Menschen auf Tausende von Kilometern lange leidvolle Treks in den Westen geschickt, immer wieder angetrieben von den begleitenden Soldaten. Tausende von Menschen starben bereits auf diesem Weg der Unmenschlichkeit, der als TRAIL OF TEARS in die Geschichte einging. Das Ziel dieser menschenverachtenden Maßnahme sah vor, den Stämmen aus dem Osten ein speziell deklariertes Gebiet, das sog. „Indian Territory“, anzuweisen, dessen autonomer Status ihnen von der Regierung „auf ewig“ zugesichert worden war. Dahinter verbarg sich aber der Grundgedanke, durch die Separation der nativen Völker auf dieses Territorium, eine leichtere, von alten Traditionen und Religionen weniger beeinflusste aufgezwungene Angleichung an die „weiße“, europäisch-amerikanische Gesellschaftsstruktur zu erreichen – als eine Art Fortsetzung des „Pfades der Tränen, der in folgenden Maßnahmen gipfelte: Die Kinder wurden bewusst und unter Zwang ihren Familien entzogen, in „christlichen“ Internaten von Missionaren „erzogen“, es wurde ihnen verboten, ihre Muttersprache zu benutzen, eine Praxis, die bis ins 20. Jahrhundert fortdauerte. Prügel und Missbrauch der Kinder waren an der Tagesordnung, es gab keine Versorgung im Krankheitsfall, im Gegenteil, es lag teilweise der Verdacht nahe, dass Kinder vorsätzlich mit ansteckenden Krankheiten infiziert wurden.
Als ob diese Leiden der Urbevölkerung nicht genug gewesen wären, erheischte das weitere Vordringen der Weißen nach Westen erneut einen Mehrbedarf an Land und das indianische Territorium rückte abermals in den Focus weißer Interessen. Diese unrechtmäßigen Ansprüche führten seit 1860 immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Regierungstruppen und den indianischen Völkern, die als „Indian Wars“ in die Geschichte eingingen. Im Rahmen all dieser Grausamkeiten und blutigen Auseinandersetzungen verübte die Armee der Vereinigten Staaten immer wieder Massaker an der indianischen Zivilbevölkerung, das Bekannteste jenes vom Dezember 1890 am „Wounded Knee“.
Erst im Jahre 1924 wurde schlussendlich der amerikanischen Urbevölkerung das Recht auf die amerikanische Staatsbürgerschaft erteilt, nachdem viele der Natives schon im Ersten Weltkrieg ihr Leben für diese Nation eingesetzt hatten.
Über 560 offiziell anerkannte Völker der „First Nations“ mit etwa 2,79 Millionen Mitgliedern lebt heute vorwiegend in Reservaten, formal unabhängig von der U.S. Regierung. Eine Behörde, 1824 gegründet und damals dem Kriegsministerium unterstellt, wurde mit der Aufgabe betraut, die Angelegenheiten zwischen den Indian Natives und der U.S.Regierung zu regeln. Dieses „Bureau of Indian Affairs“ (BIA) wurde 1849 dem damals neu gegründeten Innenministerium zugeteilt und zeichnete sich langfristig durch die Doppelaufgabe als Treuhänder indigenen Landes und die Wahrung des „öffentlichen Wohles“ der amerikanischen Bürger durch Interessenskonflikte aus, meistens zum Nachteil der indigenen Ureinwohner. Die Behörde geriet zusehends zum Spielball politischer Interessen mit Misswirtschaft und Korruption und erledigte ihre Aufgabe mehr schlecht als recht, besonders unter dem Präsidenten Ulysses S. Grant (Amtszeit 1869-1877), der mit der unglücklichen Maßnahme, die Reservate einzelnen christlichen Konfessionen zuzuweisen - zusammen mit dem Regierungsagenten gleicher Konfession - die Wirksamkeit von Kontrollen erheblich verminderte. Auch die Wahl seines ehemaligen Adjudanten Ely S. Parker, einem Native aus dem Volk der Seneca, zum Leiter des BIA zeigte sich als Missgriff. Die große Unzufriedenheit mit dessen Amtseinführung hatte zur Folge, dass es fast 100 Jahre dauerte bis erst 1965 wieder ein Indian Native in diese Position berufen wurde. Obwohl diese Stelle seither fest in indianischer Hand ist, der Leiter des BIA, nach den militanten Protesten gegen Washingtons „Indianer-Politik“ in den Rang eines stellvertretenden Innenministers erhoben wurde, verlor diese Behörde im Zuge des Ausbaus der Stammesselbstverwaltung (die allerdings oft mit drastischen Mittelkürzungen verbunden war und ist) an Macht und entwickelte sich allmählich zum einfachen Dienstleister der Stämme, von ihnen ungeliebt, aber zäh im Bestehen, unreformiert alle Krisen überstehend. Ein Amt mit Affären, nicht unbedingt für Indian affairs, oft entgegen indianischer Interessen, aber mit Sicherheit ein fortdauernder Bestandteil in der Endlosschleife des „Trail of tears“.