Wölfe und Herdenschutz

 

„Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Tier. Wir kennen es nur im Zustande der Bändigung und Zähmung“ (Arthur Schopenhauer).

 

Diese Worte des bekannten deutschen Philosophen, Hochschullehrers und Autors des 19. Jahrhunderts bestürzen und erwecken Nachdenklichkeit:

 

Wahrhaftig, nicht einmal die Beißwut eines Tasmanischen Beutelteufels kommt der menschlichen Fressgier gleich. Schlacht- und Kühlhäuser in aller Welt geben Zeugnis davon, zeigen Horden getöteter Tiere, Fleisch auf Halde. Alle negativen Eigenschaften, die einst menschliche Worte fanden, um den Charakter der Wölfe zu beschreiben, sind menschliche Eigenschaften: Gier, Bösartigkeit, Verschlagenheit, Brutalität gehören nicht zum Wesen des Wolfes. Die Menschheit hat bis heute immer wieder bewiesen, dass es sich dabei um menschliche Attribute handelt.

 

Was heute an Erkenntnis und Wissen über das Wesen der Wölfe vorhanden ist, lässt nur den Schluss zu: Hätte der Mensch mehr Wölfisches in sich, hätte er von diesem sozialen Wesen gelernt, anstatt es auszurotten, stünde es um diesen Planeten mit Sicherheit besser!

 

So ist mit der Ausrottung der Wölfe auch das Wissen um den Schutz der Herden- bzw. Weidetiere verloren gegangen (es sollen hier bewusst die Begriffe „Nutztiere“ und „Schlachttiere“ vermieden werden, da diese Worte implizieren, dass diese Tiere ohne Gefühl oder Schmerzempfinden seien und deshalb bedenkenlos gezüchtet und getötet werden könnten).

 

Schon wird wieder in den Gegenden, in denen der Wolf versucht, sich anzusiedeln, Zeter und Mordio geschrieen, Jäger liegen bereits auf der Lauer – den Startschuss erwartend!

 

Dabei gibt es grundlegende, oft sehr einfache Rezepte, seine Tiere zu schützen; denn überall wo große Beutegreifer zu Hause sind, ob in Europa oder anderswo, bestimmt nicht die Anzahl der „Raubtiere“ die Höhe des Verlustes von Weidetieren, sondern der fehlende sinnvolle, wirksame vorbeugende Schutz: 

 

·         Zunächst ist es nicht sinnvoll, wenige Tiere in den Nächten draußen zu belassen, ausreichenden Schutz bietet der Stall; selbst wenn ein Schaf nachts an der Haustür angebunden wäre, ist es für den Wolf, der wie der Mensch bequeme Nahrungsquellen bevorzugt, eine willkommene Beute.

 

·         Völlig unangebracht ist eine Tiergeburt im Freien, der Blutgeruch lockt die Wölfe an, Opfer sind die Neugeborenen. Ein kluger Herdenbesitzer bzw. Tierhalter belässt Tiermütter vor dem Lammen, Kalben usw. im Stall!

 

·         Beim Einsatz moderner Elektrozäune muss beachtet werden, dass sie so installiert sein müssen, dass sie nicht untergraben werden können.

 

·         Herdenschutzhunde:

 

Sie sollten nicht mit den Hütehunden – oft kleinen, wendigen Hunden - verwechselt werden, die dem Schäfer helfen, die Herde zusammenzuhalten, sie umkreisen und wieder zueinander treiben. Nein, diese großen, starken Hunde, speziell gezüchtet, um die Herden gegen Tier und Mensch zu verteidigen, wirken allein schon durch ihr imposantes Aussehen, obwohl es auch Hundearten gibt, die sich für beides eignen – Hütehund und Schutzhund, wie z.B. der Bergamasker-Hirtenhund, fast mit dem Aussehen eines zotteligen, ungeschorenen schwarzen  Schafes. Wesentlich beeindruckender zeigen sich da schon die Pyrenäenberghunde, der molossoide Šarplaninac, eine alte, aus Mazedonien und Serbien stammende Rasse, heute auch bekannt als „jugoslawischer Schäferhund“. Daneben imponieren u.a. auch wunderbare Rassen wie der weiße Maremmano d’abruzzese, der türkische Kangal, der Tatraschäferhund oder der slowenische Cuvac. So verschieden ihre Herkunft und Geschichte auch sein mag, bei allen ist eines gemeinsam: Sie werden unter der Herde, die sie einst schützen werden, geboren und wachsen darin auf. Ihre Abwehr geschieht nicht durch aggressive Beißattacken, allein ihre Präsenz und Dominanz, mit der sie sich zwischen Herde und Angreifer stellen, schlägt vier- und zweibeinige Räuber in die Flucht. Ihr ausgeprägtes Territorial- und Schutzverhalten, zum Teil auch schon genetisch bedingt, lässt wachsam und misstrauisch ihren Blick weit über ihre schutzbefohlene Herde hinaus streifen, gerüstet und gewappnet gegen jeden Fremden, jeden Eindringling, den sie sofort vertreiben. Je nach Größe der Herden genügen schon 2 bis 3 Schutzhunde, die immer als Team agieren, zum wirkungsvollen Schutz.

 

Wie ein Schäfer aus den frühen Tagen der Rückkehr des Wolfes in die Lausitz berichtete, unterstützen zusätzliche Flatterbänder und Feuer in der Nacht die Arbeit der großartigen, besonders dämmerungs- und nachtaktiven Wächter auf vier Pfoten. Die Wolfsaugen leuchteten rings um die leichte Absperrung mit den Flatterbändern, aber die Tiere wagten es nicht, die Herde anzugreifen.

 

 

Lamas als Herdenschutz                                                                                       

 

In den USA, wo oft schlecht ausgebildete, den europäischen Schutzhunden weit unterlegene Herdenschutzhunde versagten, hat sich der Herdenschutz durch den Einsatz von Lamas bewährt. Die Anwesenheit eines Lamas genügt, um durch sein ungewöhnliches Aussehen Wölfe vor einem Übergriff auf die Herde abzuhalten.

 

 Esel als Herdenschutz

 

Für die wehrhaften Esel bedeutet der Einsatz als Schutz für Ziegen- und Schafherden den sicheren Tod. Die stark zuckerhaltigen Gräser der Schafweiden verursachen bei den Eseln die Hufrehe, eine schmerzhafte, zum Tode führende Krankheit. Deshalb sollte auf Esel als Herdenschutztiere verzichtet werden. 

 

Archivfoto c) röderer
Archivfoto c) röderer

 

Im Übrigen suchen Wölfe überwiegend nur dann ihre Beute bei Weidetieren, wenn der Wildbestand so reduziert wurde oder durch karge Landschaften bedingt ist, dass ihnen wenig Chancen zum Überleben bleiben. Auch große Rinderherden, die fest zusammenstehen und nicht nur sehr bedrohlich wirken, sondern es auch sein können, werden meistens von ihnen verschont. 

 

Wie man sieht, bedarf es keiner übergroßen Anstrengung, um Weidetiere bzw. Herden sinnvoll zu schützen.  Informieren heißt das Zauberwort, woraus ebenfalls das Ergreifen der geeigneten sinnvollen Maßnahmen resultiert. Wir sind nicht auf der Welt, um zu töten, zu vernichten und auszurotten, sondern zum Erhalten und Bewahren der einzigartigen Vielfalt dieses Planeten. Darin ruht letztlich die Quintessenz des Menschseins, um es mit Goethes Worten auszudrücken: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut...“

 

Besitzen wir noch die nötige Intelligenz zum wahren Menschsein? Schaffen wir es zu sagen:

Willkommen Wolf, dein Herz und mein Herz, wir kannten uns schon lange, lange Zeit!