Der Freiheitsbrunnen in Homburg - Saar  Foto c) Sigrid Volz
Der Freiheitsbrunnen in Homburg - Saar Foto c) Sigrid Volz

Das Hambacher Fest und seine Initiatoren

„Das ist der Weisheit letzter Schluss, der verdient sich Freiheit wie das Leben, der ständig sie erobern muss“. (Goethe, Faust)

Bild Siebenpfeiffer-Stiftung, frei
Bild Siebenpfeiffer-Stiftung, frei

Der Landcommissär Jacob Philipp Siebenpfeiffer (12.11.1789 - 14.05.1845 ), seit 1818 im pfalzbayrischen Homburg (heute 66424 Homburg – Saar) tätig (heute würde die Bezeichnung „Landrat“ lauten) war ein deutscher Jurist und politischer Journalist. Zusammen mit dem ausgebildeten Juristen Johann Georg August Wirth ( 20.11.1798-26.07.1848) und Herausgeber der Zeitungen „Kosmopolit“ und „Tribüne“ organisierte er mit anderen „Volksfreunden“ (u.a.mit Wirths

„ Aufruf an die Volksfreunde in Deutschland“, Homburg 1832) das Hambacher Fest auf dem Hambacher Schloss in der Pfalz. Krisen wie Missernten, in deren Folge Hungersnöte und auch Epidemien (Cholera?) und die letztendliche die Rezession der Wirtschaft, veranlassten den besorgten Landrat,bei der Regierung des Rheinkreises sowie dem bayrischen Thron um Hilfe zu bitten und um Gegenmaßnahmen zu ersuchen, er forderte dabei auch politische Reformen. Jedoch, seine Bemühungen fanden kein Gehör. So entschloss er sich – unter dem Eindruck der Julirevolution 1830 in Frankreich – mit publizistischen Mitteln seine Vorstellungen zu artikulieren. Bereits schon 1830 mit der Erstausgabe seiner Zeitung „Rheinbayern“ geriet Siebenpfeiffer in Konflikt mir der bayrischen Regierung, die sofort seine Suspendierung von seinem Amt veranlasste. Seine kritischen Publikationen rückten ihn immer wieder in den Focus der Zensur. In der Folge wurde durch seine Initiative am 28. Januar 1832 „Der Vaterlandsverein zur Unterstützung der freien Presse“ (kurz „Pressverein“) gegründet. Nicht nur für die verfassungmäßig garantierte Pressefreiheit setzte sich dieser Verein ein, er unterstützte auch die Journalisten, die wegen ihrer kritischen Berichte im Gefängnis saßen. Zuvor hatte Siebenpfeiffer schon ein deutsches Nationalfest angeregt. Zusammen mit der Neustadter Filiale des Pressvereins rief er schließlich für den 27 Mai 1832 zur Demonstration am Hambacher Schloss auf, das mit 30000 Teilnehmern (Schätzung der Polizei), 60000 nach Siebenpfeiffers Wahrnehmung, zur größten Demonstration für Freiheit und Demokratie geraten sollte, erstmals waren auch ausdrücklich Frauen eingeladen! Bemerkenswert, dass schon damals, dass – neben den verschiedenen politischen Kundgebungen – zu den politischen Reformen auch die Gleichberechtigung für Frauen gefordert wurde und auch immer wieder ein republikanisches Gemeinwesen in einem conförderierten Europa zur Sprache kam. . Nicht nur Akademiker hatten bei dem Hambacher Fest teilgenommen, sondern auch Handwerker, Kleinbauern, Winzer, Tagelöhner und eine Vielzahl von Frauen.

Der Festzug zum Schloss wurde angeführt von der Kapelle der Bürgergarde, gefolgt von Frauen mit der polnischen Fahne und einer Abordnung mit einer schwarz-rot-goldenen Fahne, auf der die Inschrift „Deutschlands Wiedergeburt“ stand. Es folgten Gäste aus England, Frankreich und vor allen Dingen aus Polen, deren Freiheitskampf gegen die russische Herrschaft im Jahr zuvor gescheitert war. Das Hambacher Fest war eindeutig ein europäisches Freiheitsfest.

 

 

Ausschnitt aus Gemälde Hambacher Fest, Siebenpfeiffer-Stiftung free
Ausschnitt aus Gemälde Hambacher Fest, Siebenpfeiffer-Stiftung free

Am Ende zeigte das Fest keinen sichtbaren Erfolg, Siebenpfeiffer und andere Wortführer wurden verhaftet, über ein Jahr später wurde ihnen im „Landauer Assisenverfahren“ der Prozess gemacht, zwar wurden sie frei gesprochen, aber Siebenpfeiffer und Wirth blieben wegen „anderer Delikte“ (Beamtenbeleidigungen) in Haft. 1834 entwich Siebenpfeiffer aus dem Gefängnis in Frankenthal und gelangte in einer abenteuerlichen Flucht über die Südpfalz und das Elsass in die Schweiz An der reformfreudigen Universität in Bern erhielt er alsbald eine Professur und publizierte daneben zu staatsrechtlichen Fragen. Als bei ihm 1842 Anzeichen einer „geistigen Zerrüttung“ festgestellt wurden, wurde er in die für damalige Verhältnisse fortschrittliche Nervenheilanstalt Bümplitz eingewiesen, wo er 1845 starb.  

Johann Georg August Wirth, Stiftung Hambacher Schloss
Johann Georg August Wirth, Stiftung Hambacher Schloss

Johann Georg August Wirth wurde zu zweijähriger Haft wegen Beleidigung in- und ausländischer Behörden im April 1834 in das Gefängnis zu Kaiserslautern verbracht, wurde aber

im Dezember 1835 in eine mildere Haft in ein Gefängnis in Passau überführt, später wurde ihm erlaubt, unter polizeilicher Aufsicht in Hof zu leben. Am 30. Dezember flüchtete Wirth zunächst nach Weisenburg, dann nach Nancy. 1838 siedelte er nach Straßburg über und gab dort mit mehreren Freunden eine Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst – Braga – heraus, die in Heidelberg erschien. Nachdem er infolge eines Prozesses 1844 alle Habseligkeiten verloren hatte, war er wie umgewandelt, er vertrat keine radikalen Ansichten mehr, wie auch sein vierbändiges Werk „Die Geschichte der Deutschen“ (Stuttgart 1842-1845) aufzeigt. Die Fehlentscheidung, ein Bauerngut zu kaufen, brachte ihm großen Sorgen und Nöte, bis es gerichtlich verkauft wurde und er völlig mittellos 1847 nach Deutschland zurückkehrte. Er ließ dich in Karlsruhe nieder und begann die Herausgabe des „Deutschen Nationalblattes“ sowie eine Fortsetzung seiner deutschen Geschichte. Als aber 1848 die Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung anstanden, war er wieder plötzlich ganz der alte und bewarb sich um ein Mandat. Er wurde für Reuß-Schleiz-Lobenstein zum Abgeordneten gewählt, starb aber bereits am 26 Juli 1848 in Frankfurt.

 

Rede von Wirth auf dem Hambacher Fest (27.-30. Mai 1832)

 

 

Rede von Wirth*
Das Land, das unsere Sprache spricht, das Land, wo unsere Hoffnung wohnt, wo unsere Liebe schwelgt, wo unsere Freuden blühen, das Land, wo das Geheimniß aller unserer Sympathien und all' unserer Sehnsucht ruht, dieses schöne Land wird verwüstet und geplündert, zerrissen und entnervt, geknebelt und entehrt. Reich an allen Hülfsquellen der Natur sollte es für alle seine Kinder die Wohnung der Freude und der Zufriedenheit seyn, allein ausgesogen von 34 Königen, ist es für die Mehrzahl seiner Bewohner der Aufenthalt des Hungers, des Jammers und des Elendes. Deutschland, das große, reiche, mächtige Deutschland, sollte die erste Stelle einnehmen in der Gesellschaft der europäischen Staaten, allein beraubt durch verrätherische Aristokratenfamilien, ist es aus der Liste der europäischen Reiche gestrichen und der Verspottung des Auslandes Preiß gegeben. Berufen von der Natur, um in Europa der Wächter des Lichts, der Freiheit und der völkerrechtlichen Ordnung zu seyn, wird die deutsche Kraft gerade umgekehrt zur Unterdrückung der Freiheit aller Völker und zur Gründung eines ewigen Reiches der Finsterniß, der Sclaverei und der rohen Gewalt verwendet. So ist denn das Elend unseres Vaterlandes zugleich der Fluch für ganz Europa. Spanien, Italien, Ungarn und Polen sind Zeuge davon. Spanien ist durch die heilige Allianz, welche ihre Stütze ausschließend in Deutschland hatte, einer auf Aufklärung, Menschlichkeit und Vernunft gebauten Staatsverfassung, sowie seiner patriotischen Cortes beraubt und unter das Messer fanatischer Priester und Aristokraten, sowie des Regime des Unsinnes und der Grausamkeit überhaupt zurückgeführt worden. Ungarn und Italien werden von Oesterreich mit Hülfe deutscher Kräfte ihrer Nationalität beraubt nud in Knechtschaft und Finsterniß gehalten. Polen ist zu wiederholtenmalen von deutschen Mächten verrathen worden, und hat den Verlust der Freiheit und des Vaterlandes auch in neuerer Zeit einem deutschen Könige zu verdanken. Die Ursache der namenlosen Leiden der europäischen Völker liegt einzig und allein darin, daß die Herzoge von Oesterreich und die Kurfürsten von Brandenburg den größten Theil von Deutschland an sich gerissen haben, und unter dem Titel der Kaiser von Oesterreich und der Könige von Preußen nicht nur ihre eigenen, durch methodische Plünderung Deutschlands erworbenen Länder, nach orientalischen Formen beherrschen und deren Kräfte zur Unterdrückung der Freiheit und Volkshoheit der europäischen Nationen verwenden, sondern auch ihr Uebergewicht über die kleineren Länder Deutschlands benützen, um auch die Kräfte dieser dem Systeme fürstlicher Alleinherrschaft und despotischer Gewalt dienstbar zu machen. Bei jeder Bewegung eines Volkes, welche die Erringung der Freiheit und einer vernünftigen Staatsverfassung zum Ziele hat, sind die Könige von Preußen und Oesterreich durch Gleichheit der Zwecke, Gesinnungen und Interessen an Rußland geknüpft, und so entsteht jener furchtbare Bund, der die Freiheit der Völker bisher immer noch zu tödten vermochte. Die Hauptmacht dieses finstern Bundes besteht immer aus deutschen Kräften, da Rußland ohne die Allianz mit Preußen und Oesterreich ohnmächtig wäre und durch innere Stürme in Zerrüttung fallen würde. So riesenhaft daher die Macht des absoluten Bundes auch seyn mag, so ist ihr Ende doch in dem Augenblicke gekommen, wo in Deutschland die Vernunft auch in politischer Beziehung den Sieg erlangt, d. h. in dem Augenblicke, wo die öffentlichen Angelegenheiten nicht mehr nach dem despotischen Willen eines Einzigen, nicht mehr nach den Interessen einer über ganz Europa verzweigten Aristokraten-Familie, sondern nach dem Willen der Gesellschaft selbst und nach den Bedürfnissen des Volkes geleitet werden. In dem Augenblicke, wo die deutsche Volkshoheit in ihr gutes Recht eingesetzt seyn wird, in dem Augenblicke ist der innigste Völkerbund geschlossen, denn das Volk liebt, wo die Könige hassen, das Volk vertheidigt, wo die Könige verfolgen, das Volk gönnt das, was es selbst mit seinem Herzblut zu erringen trachtet, und, was ihm das Theuerste ist, die Freiheit, Aufklärung, Nationalität und Volkshoheit, auch dem Brudervolke: das deutsche Volk gönnt daher diese hohen, unschätzbaren Güter auch seinen Brüdern in Polen, Ungarn, Italien und Spanien. Wenn also das deutsche Geld und das deutsche Blut nicht mehr den Befehlen der Herzoge von Oesterreich und der Kurfürsten von Brandenburg, sondern der Verfügung des Volkes unterworfen sind, so wird Polen, Ungarn und Italien frei, weil Rußland dann der Ohnmacht verfallen ist und sonst keine Macht mehr besteht, welche zu einem Kreuzzuge gegen die Freiheit der Völker verwendet werden könnte. Der Wiederherstellung des alten, mächtigen Polens, des reichen Ungarns und des blühenden Italiens folgt von selbst die Befreiung Spaniens und Portugals und der Sturz des unnatürlichen englischen Uebergewichts. Europa ist wiedergeboren und auf breiten natürlichen Grundlagen dauerhaft organisirt. Freiheit des Welthandels ist die köstliche materielle Frucht und unaufhaltsames Fortschreiten der Civilisation der außer jeder Berechnung liegende geistige Gewinn eines solchen Weltereignisses. Die reichen Länder der europäischen Türkei werden dann nicht länger den Feinden aller Kultur überlassen bleiben, weil die Eifersucht einer schwachköpfigen und engherzigen Politik diese herrlichen Provinzen einem civilisirten Volke nicht gönnt. Man wird sie vielmehr der Civilisation wiedergeben, Constantinopel durch Umschaffung in eine freie Stadt und einen freien Hafen in einen allmächtigen Hebel des europäischen Handels verwandeln, die Hülfsquellen Afrika's für Europa eröffnen, und dann den großen Menschenfreund, den Handel gewähren lassen, daß er seine unendlichen Gaben und unerschöpflichen Schätze über die Völker Europa's ausschürte und zugleich alle Nationen zu ewig neuen Fortschritten in der Civilisation ansporne. Unermeßlich sind die Folgen der Befreiung Europa's, unermeßlich schon in Ansehung der Emporhebung und gleichmäßigen Verbreitung des Wohlstandes und unermeßlich vollends in Ansehung der geistigen Fortschritte. Und alle diese unendlichen Triumphe des menschlichen Geschlechts, all' diese unermeßlichen Segnungen sollten den Völkern Europa's blos darum vorenthalten werden, damit ein paar unverständige Knaben fortwährend die Königsrolle erben können? Wahrlich, ich sage euch, giebt es irgend Verräther an den Völkern und an dem gesammten Menschengeschlechte, giebt es irgend Hochverräther, so wären es die Könige, welche der Eitelkeit, der Herrschsucht und der Wollust willen die Bevölkerung eines ganzen Welttheils elend machen und dieselbe durch empörende Unterdrückung Jahrhunderte hindurch hindern, zu dem ihr von Natur bestimmten Zustande von materieller Wohlfart und geistiger Vollendung sich aufzuschwingen. Fluch, ewigen Fluch darum allen solchen Verräthern!“


Quelle: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Neustadt: Phillip Christmann, 1832; Nachdruck, Neustadt: Meininger, 1981, S. 41-43.


* Dieser Text wird mit allen im Original vorhandenen Druckfehlern wiedergegeben.  

Collage Siebenpfeiffer und Wirth vor dem Hambacher Schloss, Stiftung Hambacher Schloss
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Epilog:  Aus der Zeit Siebenpfeiffers und Wirths im damals pfälzischen Homburg  ist bekannt, dass die Homburger Bevölkerung hinter ihrem Landrat Siebenpfeiffer und dem Zeitungsverleger Wirth stand. Sie hängten sich die Tribüne auf das "Stille Örtchen" , um sich ungestört und ohne Komplikationen informieren zu können. Es wurde auch berichtet, dass sie - nachdem der Landrat "in Pantoffeln" verhaftet worden war - versuchten, ihn aus der Kutsche, die ihn nach Landau brachte,  zu befreien. Er aber blieb standhaft und wollte den Prozess in Landau abwarten.