A) Indigene Brasiliens und die Menschenrechte
Es soll sie noch geben, die unkontaktierten sog. Indigenen, in den Weiten der brasilianischen Regenwälder, im Gebiet des wasserreichsten Flusses der Erde, des Amazonas. Von den einst etwa 1000 verschiedenen „First Nations“ Brasiliens vor der Ankunft der Europäer mit etwa bis 13 Millionen Ureinwohnern, leben heute – 500 Jahre nach Eroberung, Vertreibung und Völkermord – etwa noch um 8 bis 900.000 Menschen indigener Abstammung .
Aber selbst jetzt, im 21. Jahrhundert, in dem Menschenrechte, Tier- und Umweltschutz eine bedeutende Stellung im globalen Miteinander erreicht haben, gelten die Menschenrechte und das Recht auf Eigentum nicht für die indigenen Völker Brasiliens. Noch immer ist in diesem Land, unter der Präsidentin Dilma Roussef, Tochter bulgarischer – also europäischer Einwanderer - das Verhältnis zu den brasilianischen Ureinwohnern rassistisch geprägt und noch immer sind Vertreibung und Mord – sozusagen in der Art eines Genozids – an der Tagesordnung; denn Glücksritter jeglicher Couleur treiben ihr Unwesen, keine Art von Verbrechen scheuend, angetrieben durch die Aussicht auf einen raschen horrenden Gewinn: Sei es für Viehzuchtbetriebe oder industrielle Projekte, ob für Siedler oder Goldsucher an der 500-jährigen beschämenden „Tradition“ der menschenverachtenden Behandlung der Indigenen Brasiliens, die bis heute noch nicht durch Gesetze geschützt werden, sondern im Gegenteil als „Unmündige“ gelten, hat sich in nichts geändert. Manches Stück Regenwald erfährt einen wirksameren Schutz durch Brasiliens Gesetze als die Ureinwohner, die, oft ihrer Lebensgrundlage beraubt, gezwungen sind, ein kärgliches Dasein zu fristen. Verwunderlich in diesem dünn besiedelten Land (22,4 Einwohner pro m² vs. 225 Einwohner pro m² in Deutschland), das mit einigem guten Willen allen Platz zum Leben bieten könnte, ohne Tod und Vertreibung.
Doch die Realität ist eine andere, der weltweite Aufschrei über die Vertreibung der Indigenen am Xingu-Fluss, um den ehrgeizigen Plan des Riesenstaudammes Belo Monte in die Tat umzusetzen, ist unvergessen. Dabei steht es außer Frage, dass durch die Errichtung des drittgrößten Wasserkraftwerkes der Welt, das von der brasilianischen Regierung irreführend als „grüne Stromgewinnung“ bezeichnet wird, mit schwerwiegenden unabsehbaren, kaum kalkulierbaren Folgen für Umwelt und Menschen zu rechnen ist. Umweltschützer und Menschenrechtsaktivisten sehen in dem seit 2010 begonnen Staudammbau einen brutalen Anschlag auf die Lebensgrundlagen tausender Menschen, und die Vielfalt einer der artenreichsten Regionen der Erde. Der Xingu-Fluss wird im Verlauf der Baumaßnahmen auf einer Fläche, größer als der Bodensee, aufgestaut und auf einer Länge von 100 km ausgetrocknet, Erdbewegungen wie beim Bau des Panamakanales wären erforderlich - mit gravierenden Folgen für die Umwelt. Aufsteigende Methangase, verursacht durch die Fäulnis der im Wasser verbliebenen gefällten Bäume, werden zusätzlich das Klima extrem schädigen.
„In Brasilien werden diktatorische Praktiken benutzt, um ein Mammutprojekt durchzusetzen, ohne dass verfassungsmäßig garantierte Rechte eingehalten werden“, sagte die Journalistin Verena Glass während einer Podiumsdiskussion in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin am 23.04.2013(siehe: http://www.boell.de/weltweit/lateinamerika/lateinamerika-brasilien-belo-monte-staudamm-17238.html ) und betonte dabei, dass bewusst gegen den Artikel 231 der brasilianischen Verfassung verstoßen würde, der besagt, dass grundsätzlich die Indigenen befragt werden müssten, bevor mit Baumaßnahmen begonnen werden könnte.
Wem wird letztendlich dieser fragwürdige Staudamm nützen? Nicht dem brasilianischen Volk; denn aller Voraussicht nach wird dieses Megaprojekt aufgrund natürlicher Gegebenheiten kaum einen ökonomischen Nutzen bringen, ohne den zusätzlichen Bau weiterer kleinerer Kraftwerke. Fest steht: Dieses an Ressourcen reiche Brasilien ist ebenso reich an Korruption. Hintergrund: Mannifache Interessen internationaler Industrien und Banken (mit einem bemerkenswerten deutschen Anteil), die Macht des Geldes steht ungezügelt z.B. der Macht der brasilianischen Justiz in dem Bundesstaat Pará (der es oft gelang, die Baumaßnahmen zu stoppen) und derjenigen der Natur entgegen.
Und so wird es wieder geschehen – wie so oft - eine gedanken- und verantwortungslose unheilige Allianz des Geldes wird wieder ein Stück mehr an Lebensqualität, intakter Umwelt und Achtung der Menschenrechte zerstören.
B) Die Legende von der „neuen“ brasilianischen Mittelschicht
„Brasilien strebt auf, eine neue Mittelschicht ist entstanden, die arbeitenden Menschen können sich mehr leisten...“ Das Eigenlob der brasilianischen Regierung klingt wie der Slogan eines Werbeprospektes, und erlaubt die Frage nach dessen Wahrheitsgehalt.
Die gestiegenen Einkommen der angeblich „neuen Mittelschicht“ bewegen sich zwischen 400,00 und 1500,00 € mtl. (in 44 Wochenstunden) und schließen auch die Minigehälter dienstleistender Arbeiter mit kurzfristigen Beschäftigungen ein. Den höheren Lebensstandard erreichen diese Menschen nur über die Möglichkeit, dass sie ihre Bankkonten überziehen und Kredite aufnehmen können mit Zinsbelastungen von teilweise bis zu 30 %. Solange die brasilianische Wirtschaft sich noch im Aufwind befindet, wäre dieser sog. höhere Lebensstandard zu halten, aber auch Brasilien wird nicht von Wirtschaftsflauten verschont bleiben.
Schon zeichnet sich deutlich Unmut in der brasilianischen Bevölkerung ab, Demonstrationen zeugen von tiefer gehenden Problemen und keineswegs von einer auch nur ansatzweise homogenen neuen Mittelschicht.
C) Fußballweltmeisterschaft 2014 - „all in one rhythm“?
Ohne Tod und Vertreibung scheint es in Sachen Fußball nicht mehr zu gehen - ganz gleich, ob Tiere oder Menschen davon betroffen sind!
Brasilien leidet unter massiven sozialen Problemen, anhaltende, nicht gewaltfreie Demonstrationen rücken das Land gehäuft in den Focus der Weltöffentlichkeit, explizit auch im Zusammenhang mit der für das Jahr 2014 geplanten Fußballweltmeisterschaft. Die Bevölkerung Brasiliens, einst gerühmt als Fußballnation“, wo das Talent zum „Zaubern mit dem Ball“ vermeintlich schon mit der Muttermilch eingesogen wird, wehrt sich entschieden gegen den Gigantomanismus der Regierung, die Verschwendung von Unsummen für Spiele, die nur Kosten für das Volk verursachen - aus Geldern, die für die dringend erforderlichen sozialen Neuordnungen benötigt würden und nun fehlen, aber einigen wenigen in dieses Spektakel involvierten Unternehmen satte Gewinne bringen. 9 Milliarden Euro kostet den brasilianischen Staat die Erfüllung des FIFA-Pflichtenheftes, exorbitante Summen, die der Weltfußballverband für seine Turniere nicht aufbringen muss, sich trotzdem aber wie eine Kolonialmacht in dem gebeutelten Land aufführen darf.
Zwar treiben Demonstrationen und zögerliche Bauleistungen in den geplanten Stadien dem FIFA-Präsidenten Blatter die Sorgenfalten auf die Stirn und er bekannte am 18.07.2013, dass man offenbar mit der Wahl Brasiliens zur Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2014 einen Fehlgriff getan habe, aber die Verantwortung für diesen „Fehlgriff“ will die FIFA nicht übernehmen und sieht auch keinen Zusammenhang zwischen ihrem Forderungskatalog für die Spiele und dem sozialen Forderungskatalog des brasilianischen Volkes.
Diese Haltung des Weltfußballverbandes spiegelt die Haltung des globalisierten Turbo- bzw. „Raubtier“kapitalismus wieder, der sich vorwerfen lassen muss, gewissenlos die Erde auszuplündern und ohne Verantwortung für zukünftige Generationen sich zu Lasten der Armen und Ärmsten ungeniert zu bereichern.
Der FIFA sei in’s Stammbuch geschrieben: Das alte Rom beruhigte bei sozialen Unruhen seine Bürger mit Brot und Spielen, Spiele ohne Brot erreichen dieses Ziel wohl kaum!
Doch das stört den Weltfußballverband nicht; er bleibt immer der Gewinner.
All in one rythm?
The winner takes it all, the loser has to fall!