Eifeltage

Hohes Venn bei Mützenich
Image: Wikipedia - Eifel Hohes Venn bei Muetzenich Aline

Sieh hin, wie ich hinschaue... Lerne; denn ich will Dich lehren...

Eifeltage

Es sollte wohl so sein, dass ausgerechnet im Jahre 1975 die ARD einen Zweiteiler ausstrahlte mit dem Titel „Die Stadt im Tal“, von dem mich weniger die Handlung beeindruckte als um ein Vieles mehr die Aufnahmen eines Eifelstädtchens, das eine bezauberne Filmkulisse für eine etwas banale Handlung bot. Mich faszinierte das seit 300 Jahren ungebrochene mittelalterliche Flair jenes Städtchens, das real existiert und – bekannt unter dem Namen Monschau (aus Montjoie) – in der Nordeifel am Rande des hohen Venns liegt.

 

Günstig die Gelegenheit in den Sommerferien des Jahres, die sich die Töchter mit einer Jugendfreizeit „versüßen“ wollten und mir mit diesem Vorhaben 10 Tage „Ferien vom Ich“ ermöglichten.

 

Nur am Rande sei die anstrengende, Übelkeit verursachende Busfahrt von Trier aus zu erwähnen, aber doch die angenehmen Zimmervermieter im Ortsteil Mützenich (des Ortes mit dem Sonderstatus einer deutschen Enklave unter der belgischen Oberhohheit des Hohen Venns) mit ihrer Freundlichkeit und Fürsorge, die sich nicht zuletzt in einem reichhaltigen Frühstück holländischer Art ausdrückte (mit dem auch für damalige Verhältnisse äußerst moderaten Preis von DM 8,50 für eine Übernachtung mit Frühstück).

 

Eine Woche im engen Kontakt mit der Natur, die sich mir in allen Facetten offenbarte, mich lehrte, mich mit ihr eins sein ließ, folgte verändernd – unvergessen. Einem freigelassenen Wildtier ähnlich, zog ich immer weiter „meine Kreise“, entdeckte immer mehr an Schönem und Seltenem, immer mehr jedoch von den üblichen „Sehenswürdigkeiten“ entfernend - wie einem bekannten Stück Westwall oder „Kaiser Karls Bettstatt“ - und auch von den Fohlen auf der Weide, die vorsichtig Gräser aus der Hand nahmen bzw. ungeduldig an meiner Jacke knabberten. Immer mehr vereinnahmte mich die eigenartige Landschaft, sog mich auf in sich, machte mich zum Teil – dann verwandelte ich mich metamorphosengleich zum Baum, an seine Rinde gelehnt, und zu Gras, in ihm verborgen, Himmel und Wolken schauend. Kein Wort zu sprechen, selten Menschen zu begegnen, im Schauen wie ein Schwamm alle Fülle der Sommertage aufzusaugen, außen und innen vertauschen: Das war reine Magie.

 

Rosa Gräser und Wollgras wechselten ab, der Wind bewegte sie wie die Wellen eines großen Meeres, dazwischen kleine Wasserspiegel, in die sie ihre Wedel tauchten. Kleine rosa Frösche ließen sich im Sprung auf die wandernden Füße nieder. Manche Ebenen mit reifen Getreidefeldern offenbarten sich als Hochebenen, stürzten plötzlich steil hinab, auf schmalen Pfaden in die Tiefe. Und wenn mich die Schatten der Wälder empfingen, so endeten doch oft die Wege unvermittelt in Gewässern, Bäume und Büsche spiegelten sich darin: Die Natur in ihrem Spiegel verdoppelt: Wie oben so unten.

 

Meistens musste ich in den Abendstunden bei der Rückkehr zu den menschlichen Behausungen erst meine Stimme wiederfinden, leises Singen half dabei. Doch auch dann war ich meistens nur fähig zu flüstern, wenngleich auf die obligatorische (mitleidige) Frage ob ich erkältet sei, als Antwort mein Nicken schon genügte...

 

War der Zauber jener magischen Eifeltage mit jenem Greifvogel aus dem Himmelsblau herabgeglitten? Schälte er sich aus den rosa Wattenebeln heraus, die nicht sehen, sondern nur hören ließen, um sich am Hundegebell eines fernen Hofes zu orientieren oder stieg er aus der Feuchte des Moores mit schmatzenden Geräuschen, brütete auf den Sommerwiesen, in der Mittagshitze, wenn Pan seine Flöte spielte?

 

Bis heute faszinieren sie mich noch, jene wenigen Tagen, erfüllt von intensivsten Begegnungen mit der Natur, gleichsam wie Seelenspiegelungen – als ob man nach langer Krankheit wieder gesund wird oder sich das Geheimnis eines Brunnens in der Wüste offenbart, den der Dürstende nur findet, wenn er schweigt...

 

Im darauf folgenden Jahr schrieb ich meine ersten Gedichte.

Elke.G