Canis simensis - Der Äthiopische Wolf

 Simien Mountains ©Wikipedia,Guistino
Simien Mountains ©Wikipedia,Guistino
Canis simensis ©Wikipedia, GertVankrunkelsven
Canis simensis ©Wikipedia, GertVankrunkelsven

Canis simensis – Wolfsbruder mit Fuchsgesicht

Begleite mich heute, Wanderer, in ein altes Land, in Afrika gelegen, mit einer uralten Geschichte (bekannt seit dem 9. Jahrhundert v. Chr.) und ebenso alten Traditionen. Einst als Kaiserreich von Abessinien bekannt, benennt die Welt es heute mit dem klingenden Namen Äthiopien, dessen Landschaftsstrukturen unterschiedlicher nicht sein könnten. Während sich durch die Mitte des Landes der „Große Afrikanische Grabenbruch“ zieht, mit dem tiefsten Landesteil von 116 m unter dem Meeresspiegel in der Koba-Senke, wird der Großteil durch Hochebenen geprägte, von gelegentlichen Baumgruppen beschirmt aus Eukalyptusbäumen, Sykomoren, Schirmakazien und Wacholder.

Aber höher noch, in den baumlosen hochalpinen Gebirgen Äthiopiens, den Bale-Bergen, auf einer Höhe zwischen 3000 und 4400 m oder in moorigen Gegenden mit spärlicher Vegetation lebt ein Hundeartiger, ein Wolfsverwandter, der „Äthiopische Wolf“, mit wissenschaftlichen Namen Canis simensis. Schau ihn dir an, Wanderer, diesen schlanken, relativ kleinen Wolf (Kopf-Rumpf-Länge 1 m, Schwanz 30 cm, 50 cm Schulterhöhe) mit der schakalartigen Gestalt - sein rötliches Fell, seine ganze „Physiognomie“, die leuchtend weißen Wangenzeichnungen, das weiße Brustfell, verleihen sie ihm nicht eine starke Ähnlichkeit mit dem Aussehen eines Rotfuchses? Und wahrhaftig, einst wurden diese Lebewesen – auch durch ihre spezifische Art in einem Tunnelsystem unter der Erde zu leben - als äthiopische Füchse angesehen, doch Ihre Hochbeinigkeit (mit weißen Innenzeichnungen) ließ berechtigte Zweifel zu, die durch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt wurden, und so geschah es, dass diese Caniden im Jahre 1990 als Wolfsart klassifiziert wurden.

 

 

Sie leben nach Wolfsart in Rudeln bzw. als Familien mit Elterntieren (3-13 Mitglieder), in denen es kaum zu Streitigkeiten kommt, grenzen jedoch streng ihre Territorien gegen andere Familienverbände ab, „jagen“ aber getrennt; denn ihre Nahrungsquellen erfordern keine gemeinschaftliche Jagd: Zu 96 % bestehen sie aus Ratten und Mäusen (Hauptbeute „Afrikanische Maulwurfsratte“oder Grasratte), die restlichen 4 % des Nahrungsspektrums decken sie mit Graumullen, Aas, anderen kleinen Nagern, Jungvögeln oder Vogeleiern und gelegentlich einer Zwergantilope ab. Meistens gelangen sie durch Ausgraben an ihre Beute. Manchmal lauern sie fast nach Katzenart solange geduldig vor den Höhleneingängen der Opfer, bis sie ihnen beim Verlassen des Baus habhaft werden können oder sie „pirschen“ sich fuchsgleich ganz in ihre Nähe, springen hoch in die Luft und lassen sich auf sie herabfallen. Auch das Vergraben und Verbergen der Beute zum späteren Verzehr gehört zum arttypischen Verhalten.

 

Wanderer, Deine Neugier zu den wichtigen Fragen von Paarung und Vermehrung kann ich ebenfalls stillen. Paarungszeit ist von August bis Dezember (Geschlechtsreife der Wölfinnen erst mit 2 Jahren), Tragzeit 60-63 Tage. Daher erblicken die ersten Welpen (Wurfgröße 2-6 Junge) schon anfangs September das Licht der Welt, von der Mutter bis zur 6. – 8. Woche mit Muttermilch genährt. Dann gewöhnen sich die Jungtiere durch vorgekautes Fleisch an die neue feste Nahrung.

 

Eigentlich, verehrter Wanderer, handelt es sich bei den äthiopischen Caniden um tagaktive Tiere, doch auch hier haben die Zweibeiner durch ihr unentwegtes Vordringen mit ihrer Landwirtschaft bis in die höheren Bergregionen hinauf, der Art den Lebensraum genommen, so dass sie es nun vorziehen, in der Nacht dem Nahrungserwerb nachzugehen, u.a. auch um Konflikten mit den Schutzhunden der stark vergrößerten Herdenverbände der Oromo, eines Hirtenvolkes, auszuweichen, denn tagsüber kommt es vielfach unausweichlich zum Kontakt; oft wurden äthiopische Wölfe beobachtet, die unbeabsichtigt inmitten eines Viehtriebs geraten waren Aber – sieh hin, wie ich hinsehe – eine noch viel größere Gefahr geht von den Hunden der Hirten aus! Ihre Krankheiten, Tollwut und Staupe, übertrugen sie auf die Wölfe, die diesen Seuchen zum Opfer fielen, so dass im Jahre 1990 Eurer Zeitrechnung die damalige Wolfspopulation von insgesamt 440 Tieren innerhalb von zwei Wochen bis auf 160 dezimiert wurde.

 

Beinahe wären sie ausgestorben – culpa hominis. Aber es waren auch Menschen, die sie gerettet haben: Aufklärung der Oromo, ein Impf- und Kastrationsprogram für ihr Hunde haben die gänzliche Vernichtung der seltensten Wolfsart der Welt durch Krankheit und genetische sukzessive Vermischung der Hunde mit Wolfsfähen gestoppt. In einer stattlichen Stärke von 500 Exemplaren seiner Art streift nun Canis simensis wieder über die Höhen des „Abessinischen Hochlandes“.

 

Erkennt dieses warnende Beispiel – discete moniti!

Lernt – ich lehre Euch!